Pacific News #10

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El Niño Southern Oscillation (ENSO)

 

Heinz Olaf Franken

Unter der spanischen Bezeichnung El Niño (span. Das Kind , Das Christkind) ist ein Klimaphänomen im Pazifik bekannt, das zu Naturkatastrophen und signifikanten Wetterveränderungen in weit voneinander entfernten Gebieten führt. Der Name El Niño wurde im vergangenen Jahrhundert von spanischen Fischern eingeführt, die damit einen alljährlich zur Weihnachtszeit auftretenden warmen Oberflächenstrom bezeichnen, der in einigen Jahren eine Stärke besitzt, daß er das normalerweise vor der peruanischen Küste vorkommende kalte, nährstoffreiche Tiefenwasser ersetzt. Früher nahm man an, das es sich bei El Niño nur um ein ozeanisches Ereignis von lokaler Bedeutung handelt. Heute weiß man, daß El Niño zu einer anormalen Erwärmung des gesamten tropischen Pazifiks führen und Auswirkungen auf die allgemeine Zirkulation der Atmosphäre haben kann. Verbesserte Modelle und das Verständnis der physikalischen Vorgänge erlauben heute eine bessere Vorhersage der weltweiten klimatischen Auswirkungen, was besonders für die Landwirtschaft von großer Bedeutung ist.

Der zeitliche Ablauf des El Niño-Ereignisses verläuft immer gleich. Im Jahr vor dem Ereignis kommt es zu einer negativen Temperaturanomalie und in der 2. Hälfte des Jahres zu einem starken Anstieg der Wassertemperatur. Der Anstieg hält bis zum Frühjahr des El Niño-Jahres an. Jetzt ist fast der gesamte tropische Pazifik anormal warm. Die Erwärmung bleibt bis zum Ende des Jahres bestehen. Im Jahr nach dem El Niño-Ereignis nimmt die Wassertemperatur rasch wieder ab. Insgesamt dauert ein El Niño-Ereignis ca. 2 Jahre (LATIF 1986, S. 90).

Die Entstehung des klimatologischen Phänomens El Niño steht im Zusammenhang mit der Walker-Zirkulation (Southern Oscillation) im Pazifik. Diese Zirkulation verläuft senkrecht zur Hadley-Zirkulation und führt zu einer Hebung der Luftmassen über den Kontinenten sowie zu einem Absenken der Luftmassen über den Ozeanen. Angetrieben wird die Walker-Zirkulation durch den Temperaturunterschied zwischen dem kalten Wasser vor der südamerikanischen Küste (Humboldtstrom) und dem warmen Wasser im asiatisch-australischen Raum (Ostaustralstrom). Normalerweise befindet sich im Osten des Pazifik ein Hochdruckgebiet (SE-pazifisches Hoch) und in SE-Asien ein Tiefdruckgebiet (asiatisch-australisches Tief). Diese beiden Druckanomalien stehen in enger Korrelation zueinander. D.h., ist der Luftdruck über SE-Asien hoch, so ist er im SE-Pazifik niedrig und umgekehrt. Gemessen wird die Stärke der Oszillation mit dem sogenannten Southern Oscillation Index (SOI), der die Druckdifferenz zwischen den beiden Druckgebilden (Tahiti für das SE-pazifische Hoch und Darwin für das asiatisch-australische Tief) angibt. Diese Druckgebilde kehren sich in unregelmäßigen Abständen von 5-9 Jahren (ENDLICHER et al. 1990, S. 176; nach LATIF 1986 [S. 90] in 2-7 Jahren) um. Dieser Prozeß wurde von dem britischen Meteorologen Gilbert Walker 1923 entdeckt und Southern Oscillation genannt. Aber erst 1966 erkannte J. Bjerkens einen Zusammenhang zwischen El Niño und der Southern Oscillation

Normalerweise kommt es vor der peruanischen Küste zum Absinken der Luftmassen (SE-Passat). Dieser starke SE-Passat treibt das warme Oberflächenwässer von der Küste in Richtung Westen. Die Meeresoberfläche ist dadurch im Westpazifik um einige 10er cm höher als im Ostpazifik (SCHÖNWIESE 1994, S. 222). Dadurch kommt es vor der Küste zum Aufsteigen von kaltem, nährstoffreichem Tiefenwasser. Über Nordaustralien und SE-Asien steigen die Luftmassen unter Wolkenbildung wieder auf. Hier kommt es zu Niederschlägen.

Während des El Niño-Ereignisses kehrt sich der Druck zwischen SE-pazifischen Hoch und dem asiatisch-australischen Tief um (negative Anomalie des SOI), und der SE-Passat flaut ab. Die ITC liegt weiter im Süden. Die großen Niederschlagsgebiete sowie die Walker-Zirkulation verschieben sich nach Osten. Auch die thermischen Bedingungen im Pazifik ändern sich. Das warme Oberflächenwasser strömt in einer Art gigantischer Welle (Kelvin-Welle) nach Osten. Damit verlagert sich der Bereich aufsteigender Luftmassen in der Walker-Zirkulation ebenfalls nach Osten. Die Folgen sind starke Dürren in Asien und Australien. Vor der südamerikanischen Küste entsteht eine warme Oberflächenströmung, die sich entlang der nord- und südamerikanischen Küste ausbreitet und den Aufstieg des kalten Tiefenwassers verhindert. Gleichzeitig kommt es in den normalerweise regenarmen Küstenregionen von Nord- und Südamerika zu heftigen, langanhaltenden Niederschlägen mit schweren Überschwemmungen. Klimaanomalien in weit von einander entfernten Gebieten sind typisch, so z.B. Stürme in Kalifornien, Trockenperioden in Indien und Dürren in Brasilien, im südlichen Afrika, Nord-Australien sowie Indonesien. Auch Perioden mit ungewöhnlich warmen Wetter in Teilen Nordamerikas und Ost-Chinas werden El Niño angelastet. Da das asiatisch-australische Tiefdrucksystem infolge starker Wolkenbildung und Freisetzung latenter Wärme ein wichtige Antriebsfunktion im Zirkulationssystem hat, kommt es zu diesen Fernwirkungen (Telekonnektion). Allerdings konnte bisher nur für den amerikanischen Raum eine Telekonnektion (Veränderungen der Winterzirkulation) nachgewiesen werden (LATIF 1986, S. 92). In manchen Jahren sind die Veränderungen so stark, daß man von einem Super-El Niño spricht. Der letzte Super-El Niño war 1982/83. In diesem Jahr erblühte sogar die Atacama-Wüste.

Auslöser für El Niño sind Westwindanomalien im Westen des Pazifik, entstanden als Teil der innertropischen Autooszillation oder durch außertropische Anregung (FLEMMING et al. 1991, S. 150). Laut FLEMMING et al. (1991) gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen ENSO bzw. einem schwachen Sommermonsun in Indien und einer negativen Temperaturanomalie auf der Nordhemisphäre. So führen vulkanische Aerosole in der Nordhemisphäre zu einem verstärkten meridionalen Temperaturgradienten mit einer Südverlagerung der Zirkulationssysteme. Die ITC wandert weiter Richtung Äquator, mit der Folge, daß Indien weniger Niederschläge erhält. Die Abkühlung der Troposphäre in polaren Breiten als Folge vulkanischer Aktivität führt im Bereich der Polarfront zu einer stärkeren Westwindzirkulation. Die Zyklonen dringen in rascher Folge weit in den eurasischen Kontinent ein und führen dort zu vermehrten Schneefällen während der kalten Jahreszeit. Der im Frühjahr und Sommer erhöhte Energiebedarf für die Schmelz- und Verdunstungswärme führt zu einer negativen Temperaturanomalie. Die nur langsam abgebaute erhöhte Bodenfeuchte verlängert diesen Effekt für Monate. Auch die Aktivität tropischer Vulkane hat Auswirkungen auf das Zirkulationssystem. Die vulkanischen Aerosole führen zu einer Erwärmung und Stabilisierung der Troposphäre. Die Folge sind eine abgeschwächte tropische Konvektion sowie eine Abschwächung der subtropischen Antizyklone. Dadurch nimmt die Stärke der Passate direkt nach einem Vulkanausbruch ab. Ein verstärkter Schneefall über Eurasien und eine Verlagerung der aktiven Konvektionsgebiete aus SE-Asien bzw. Indien in den Westpazifik werden als günstige Voraussetzungen für die Entstehung von ENSO angesehen (FLEMMING et al. 1991, S. 154).

Außer den El Niño-Ereignissen gibt es nach neueren Forschungen auch “Kaltwasserereignisse” (La Niña) vor der Küste Perus, die die normalen Bedingungen verstärken (ENDLICHER et al. 1990, S. 179).

Literaturauswahl:

  • ARNTZ, W. E. & FAHRBACH, E. (1991): El Niño. Klimaexperiment der Natur. Basel.
  • BAKUM, A., FARMER, G. & GOMMES, R. (1997): An El Niño primer. (Stand 1.10.97).
  • ENDLICHER, W., HABBE, K. A. & PINZNER, H. (1990): Zum El Niño Southern Oscillation-Ereignis 1983 und seinen Auswirkungen im peruanischen Küstengebiet. Mitt. d. fränki. Geogr. Gesell. 35/36, S. 175-201.
  • FLEMMING, G. et al. (1991): Eigenschaften und Komponenten des Klimasystems. In: Hupfer, P. (ed.): Das Klimasystem der Erde. Berlin, S. 145-156.
  • LATIF, M. (1986): El Niño – eine Klimaschwankung wird erforscht. Geogr. Rundschau 38, 2, S. 90-95.
  • SCHMIDT-WALTHER, P. (1985): El Niño. Ursachen und Auswirkungen einer Naturkatastrophe. Praxis Geogr. 4, S. 26-28.
  • SCHÖNWIESE, C.-D. (1994): Klimatologie. Stuttgart.
  • WALKER, G. T. (1923): Correlation in seasonal variations of weather.Mem. Indian Meteor. Dep. 24, S. 75-131.